Zum Inhalt springen

Honda Accord Go West

Die japanischen Entwickler des neuen Mittelklasse-Modells Accord hatten, so versichert Honda, stets europäische Vorbilder im Visier. Fahrwerk, Motorleistungen und Styling sind ganz auf Alte Welt getrimmt. Doch so ganz scheint Honda dieser Akzentverschiebung selbst nicht zu trauen.

"Was in Europa besteht, besteht auch im Rest der Welt", sagt Christoph Rust, der für die technische Kommunikation verantwortliche Mann bei Honda in Europa. So sei es zum Beispiel mit italienischen Handtaschen, die in den USA und vor allem in Japan populär seien. Und so sei es auch mit Automobilen. Daher orientiere sich der neue Accord "explizit" an den Erwartungen europäischer Kunden. Soll heißen: straffes Fahrwerk, kräftige Motoren, sportliches Design.

Dass die Formel japanische Ingenieurskunst meets europäische Ansprüche aufgeht, davon scheint auch Honda nicht restlos überzeugt. 5000 Accord-Modelle sollen im kommenden Jahr (ab 18. Januar) in Deutschland verkauft werden. Damit bewegt sich das neue Auto praktisch auf dem Niveau des alten, von dem 2001 laut Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamts in Flensburg 4953 Exemplare abgesetzt wurden. Angesichts der sonst bei solchen Gelegenheiten forsch formulierten Zuwachshoffnungen klingt die Honda-Prognose überaus verhalten. Oder sind die Verantwortlichen der Marke einfach nur realistischer?

Möglich wäre es, denn auf den ersten Blick hat der neue Accord nichts Außergewöhnliches zu bieten. Chefdesigner Kunihiko Tachibana orientierte sich bei der Formgebung der Karosserie am Alfa Romeo 156, was im Grunde verständlich, jedoch nur mäßig gelungen ist. Vor allem in der Seiten- und Heckansicht wirkt der neue Accord beinahe schwerfällig - trotz der Keilform und des kantigen Hecks mit den hübsch gestalteten Rücklichtern. In den sehr großen, sehr konturlosen Blechflächen verebbt jene Dynamik, die von der durchaus rassig gestylten Frontpartie ausgeht.

Das Auto wirkt so glatt, als sei es in Folie eingeschweißt. Auf diese Art gelang es den Honda-Entwicklern allerdings, einen Weltrekord aufzustellen: Mit einem cW-Wert von 0,26 markiert der neue Accord eine Bestmarke im Segment der Serienlimousinen. Diese Geschmeidigkeit wird wahrnehmbar durch äußerst geringe Windgeräusche auch bei flotter Fahrt und hilft, die Fahrleistungen nach oben und den Benzinverbrauch nach unten zu korrigieren.

Zunächst bietet Honda den mit zwei Motorvarianten an, beide Vierzylinder-Aggregate. Die 2,4-Liter-Maschine leistet 190 PS (140 kW) und schafft 227 km/h als Höchstgeschwindigkeit, das überarbeitete Zweiliter-Triebwerk mobilisiert 155 PS (114 kW). Mit diesem Motor im neuen Accord waren wir bei ersten Testfahrten unterwegs. Wie von der Papierform zu erwarten, ist schon die kleinere Maschine ausreichend kräftig, um den rund 1,4 Tonnen schweren Wagen angemessen zu bewegen. Das Fahren im Accord ist unspektakulär und deshalb sehr angenehm. Ruhig und souverän, leise und zügig - mit solchen Adjektiven kommt man dem Fahrgefühl, das der Wagen vermittelt, recht nahe.

Auch der Innenraum-Eindruck passt zum gutmütigen Charakter. Die Platzverhältnisse vorne und hinten sind okay, die Vordersitze bieten guten Seitenhalt, die Gestaltung der Armaturen ist übersichtlich. Honda argumentiert, ein auf Anhieb bedienbares Auto erhöhe die Verkehrssicherheit, weil der Fahrer weniger abgelenkt sei. Das mag stimmen. Andererseits trügen etwas mehr Esprit und Charme des Interieurs sicher zu höheren Sympathiewerten bei. Es sind die "soft skills", die dem technisch tadellosen Accord fehlen.

Stichwort soft: Auch der Neue fährt, wie bei Honda inzwischen üblich, mit einer vergleichsweise weichen Frontpartie vor, um Verletzungsrisiko für Fußgänger im Falle eines Aufpralls möglichst niedrig zu halten. Stichwort skills: Der Accord ist sehr ordentlich ausgestattet. Die Basisversion bietet unter anderem eine Zwei-Zonen-Klimaanlage, elektrisch einstellbare und beheizbare Außenspiegel, elektrische Fensterheber vorne und hinten, sechs Airbags, ABS und Bremsassistent sowie eine Radio-Fernbedienung im formschönen Lenkrad.

Optisch aufregender und sogar sportlicher als die Limousine sieht übrigens der Accord Tourer aus, also das Kombimodell. Im April wird diese Karosserieversion zu den Händlern kommen. Und auf der IAA im September wird Honda endlich den ersten, komplett im Hause entwickelten Dieselmotor vorstellen, der einige Monate darauf auch im Accord zu haben sein wird. Was bereits klar ist: Es wird sich um einen 2,2-Liter-Aluminium-Selbstzünder handeln, der rund 150 PS leistet und deutlich mehr als 300 Nm anrührt. Ein Motor speziell für Europa - im Rest der Welt wird er wohl kaum für mehr Nachfrage sorgen.