Neuer Platzhirsch in der Mittelklasse?

Nanu, da drängelt doch einer ganz unverfroren nach oben, der da sonst nichts verloren hat. In die Chefetage will dieser Eindringling, dorthin, wo sich sonst nur Premium-Modelle aneinander reihen. Honda sucht mit dem neuen Accord seinen Platz – und möchte ganz selbstbewusst die Rangordnung in der Mittelklasse durcheinander wirbeln. Das hat sogar schon ansatzweise geklappt. Beim ersten Vergleich mit Alfa 156, Ford Mondeo und Mazda 6 jedenfalls fuhr er bereits als Erster durchs Ziel. Wenn’s auch knapp war.

Nun fordert Honda also den Audi A4 1.8 T heraus, eines der so genannten Premium-Modelle. Die Qualitäten des A4 wie Verarbeitung, Sitz- und Fahrkomfort sowie Fahrverhalten sind hinlänglich bekannt. Sie gehören zum Besten, was es für Geld zu kaufen gibt. Ebenso der 1,8-Liter-Turbomotor, der zahlreiche Modelle von Audi, VW, Skoda und Seat antreibt. Das ist aber noch lange kein Grund zum Ausruhen. Audi drehte nochmals an der Leistungsschraube, und so fährt der 1.8 T seit November 2002 mit satten 190 PS. Exakt die gleiche Leistung bei gleicher Zylinderzahl (vier) bietet der Accord.

Das war es dann aber auch schon mit den Übereinstimmungen. Während Honda auf Stärke aus viel Hubraum setzt (2,4 Liter), vertraut Audi der Agilität des Turbo. Tatsächlich verhält sich der A4 munterer und spontaner. Weich und ohne Verzögerung setzt der Turbolader ein, schiebt den immerhin 1510 Kilo schweren A4 voran. Beim Honda wirkt alles etwas unspektakulärer und gesetzter.

Der Audi zeigt mehr Dynamik

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Honda-Maschine ist weder schwachbrüstig noch lahm. Doch im direkten Vergleich fehlt es ihr an Leichtfüßigkeit. Dafür läuft sie geschmeidiger und ruhiger als der etwas raue Audi-Turbo. Und: Hohe Drehzahlen stören keineswegs. Erst bei 7000 Touren beginnt der rote Bereich des Drehzahlmessers. Für Honda-Motoren nichts Ungewöhnliches, nur in diesem Fall unpassend. Der Honda ist der gediegenere von beiden, sportliche Attribute bleiben eher dem A4 vorbehalten.

Das gilt nicht nur für den Motor. Das ganze Fahrgefühl, das Audi vermittelt, zeigt mehr Dynamik. Angefangen bei einer direkten, feinfühligen Lenkung, die dem Fahrer nicht nur leichtes, zielgenaues Manövrieren erlaubt, sondern ihm auch stets mitteilt, was zwischen Lenkrad und Straße passiert. Kein frontgetriebenes Fahrzeug hat in dieser Klasse zurzeit eine bessere Lenkung.

Auf gleich hohem Niveau rangieren Fahrverhalten und Komfort des leicht untersteuernden Audi. Sein serienmäßiges ESP regelt zuverlässig, ohne den Fahrer zu bevormunden oder ihm Fahrspaß zu rauben. Ebenso solide die Bremse: Sie bringt den Audi A4 aus Tempo 100 nach weniger als 40 Metern zum Stehen. Starke Leistung. Doch die Honda-Limousine kann es noch besser: Weniger als 38 Meter liegen zwischen Tempo 100 und Stillstand. So wird die Bremse zum Schutzengel.

Kosten und Ausstattungen

Ein weiterer Sicherheitsbeamter steckt in der Elektronik. Wie im Audi A4 sorgt auch hier ohne Aufpreis ein ESP (heißt bei Honda VSA) für sicheres Fahrverhalten. In zwei Punkten unterscheiden sich allerdings die Fahrwerke. Zum einen stimmt Honda seinen Accord straffer ab. Man spürt es deutlich beim Überfahren von Gullydeckeln und Querfugen. Aber auch bei Wellen, die er ein wenig heftiger abreitet.

Des Weiteren trifft auf das Fahrverhalten des Japaners das Gleiche zu, was wir bei seinem Motor festgestellt haben: Es fehlt ihm an Leichtfüßigkeit. Der Honda wirkt nicht ganz so wendig, besitzt eine weniger direkte Lenkung. Es scheint beinahe, als wäre der Accord eine Nummer größer.

Größer ist er in der Tat. Vor allem hinten. Er bietet mehr Kopf-, Bein- und Ellenbogenfreiheit. So lässt es sich im Fond des Accord viel entspannter reisen. Außerdem stehen die Rücksitzlehnen nicht so steil wie im Audi – klarer Vorteil für den Sitzkomfort.

Der Honda bietet mehr fürs Geld

Völlig unverständlich bleibt, wieso Audi 280 Euro für umlegbare Rücksitzlehnen fordert. Wer Premium sein will, sollte das ab Werk haben. So auch Radio, Tempomat, drei Dreipunktgurte und drei Kopfstützen im Fond plus elektrische Fensterheber hinten. Honda hat das alles und ist dabei sogar noch preiswerter: 28.100 statt 28.850 Euro. Nicht zuletzt deshalb hat der Accord das Ticket zum Parkplatz für leitende Mittelklässler zu Recht gelöst.

Fazit und Wertung

Fazit An Selbstbewusstsein mangelt es Honda nicht. Das Aufbaumittel heißt Accord. Unser Test zeigt, dass Honda auch den Vergleich mit einem deutschen Spitzenprodukt nicht scheuen muss. Mehr Platz, bessere Bremsen, geringerer Verbrauch, üppigere Ausstattung und ein günstigerer Preis lassen ihn knapp vor dem Audi landen. Ein Honda wollte nach oben – und ist tatsächlich dort angekommen.