Die wahren Meister der Mobilität

Ehre, wem Ehre gebührt. Ein Spruch, den wohl jeder kennt, der in der Realität aber eher selten zutrifft. Gefeiert werden vermeintliche Superstars wie der Bohlen-Barde Alexander, während andere Talente unerkannt bleiben.

Ein Phänomen, das wir nicht nur im Showgeschäft, sondern auch in der Autobranche antreffen. Im Schatten der Super-Sportwagen und Luxus-Limousinen blühen hier die wahren Meister der Mobilität. Kluge Kombis, die von Umzug bis Urlaub einfach alles mitmachen. Vier dieser Alltags-Stars haben wir ins (Lade-)Rampenlicht geholt: die beiden frischen Fernost-Frachter Toyota Avensis Combi und Honda Accord Tourer, Altmeister VW Passat Variant sowie den Renault Laguna Grandtour.

Zweimal Japan gegen Deutschland und Frankreich – schon das erste Rendezvous offenbart deutliche Kulturunterschiede. Vor allem formal, wobei wir das Streiten über hübsch oder hässlich gern anderen überlassen. Wir stellen einfach nur fest, dass hier vier grundverschiedene Charaktertypen am Start stehen, die schon optisch reichlich Spannung bieten. Wann hat es das in einem Mittelklasse-Vergleich zuletzt gegeben?

Kofferraumvolumen und Variabilität

Im kantigen Kastenheck versteckt der Honda, der sich mit 4,75 Metern am längsten macht, ein großzügiges Raumangebot und einen üppigen Laderaum. Immerhin 518 bis 1657 Liter verschwinden hinter der ab Werk elektrisch auf- und zuschwingenden Klappe – da fühlen wir uns doch fast wie in der Oberklasse. An die auch der Trick mit dem Tirefit erinnert. Wie bei der E-Klasse muss im Pannenfall Reifendichtmittel reichen, was in der Reserveradmulde ein paar zusätzliche Ladeliter schafft. Alle anderen haben ein vollwertiges Ersatzrad.

Ebenfalls clever, dass dank filigraner fernöstlicher Faltkunst die geteilten Rücksitze im Tourer tatsächlich mit einem Handgriff umgelegt werden können. Nur Lehne entriegeln und flach legen, alles andere kommt von ganz allein. Erst fallen die Kopfstützen nach vorn, dann hebt sich die Sitzfläche und macht so den Weg frei für die Lehne. Heißt zwar nicht Origami, beeindruckt aber genauso.

VW, Renault und Toyota können jedenfalls nur mit konventioneller Klapptechnik dagegenhalten. Was bei allen dreien aber locker und leicht funktioniert. Doch während der Passat mit dem geräumigsten Passagierabteil und akzeptabler Kofferkapazität zum fröhlichen Drauflosladen animiert, zwingen Laguna und Avensis zur Disziplin. Weil die Zuladung mit 450/455 Kilo recht bescheiden ausfällt und beim maximalen Kofferraum rund 150 Liter auf den Honda fehlen, muss vorm Verstauen ein Pack-Plan her.

Und wo im Avensis zumindest den Mitfahrern die Luft zum lässigen Lümmeln bleibt (etwa wie im Accord), müssen im Laguna wegen des grazil gerundeten Rückens und der kuscheligen Platzverhältnisse auch die Familienferien sorgfältig geplant werden. Windeln oder Wanderschuhe, Legos oder Lenkdrachen, Alete oder Atlas? Beides geht bei mageren 475 Litern nur schwer mit.

Karosserie und Ausstattung

Alle vier Kombi-Kuriere überzeugen dagegen ohne Aufpreis mit Laderaumabdeckung, Ladekantenschutz und zusätzlichen Staufächern. Auch die sinnvolle Dachreling lässt sich nur Honda extra bezahlen (499 Euro), die wichtige Netztrennwand gegen gefährliche Gepäckgeschosse liefert aber nur Toyota ab Werk. Doch dafür plagen den Vorserien-Avensis – man glaubt es kaum – hier und da Qualitätsprobleme.

So verabschiedeten sich die Plastikeinfassung der Netzaufnahme im Dach sowie die komplette Schaltereinheit für die elektrischen Fensterheber in der Fahrertür, wirkte das Gepäckrollo nach einigen Einsätzen ausgeleiert und rollte sich nur noch widerwillig auf. Zugegeben, nichts ist unmöglich, solcher Mangel für den Zuverlässigkeits-Zampano Toyota aber sehr untypisch. Deshalb und wegen der ansonsten guten Verarbeitung unterstellen wir den Japanern also mal, dass diese Kinderkrankheiten in der Serie geheilt sein werden.

Gute Besserung möchte man auch dem Tourer wünschen. Die eigentlich clevere Idee, das Trennnetz genau wie die Fondsitze asymmetrisch zu teilen, hat in der Praxis so ihre Tücken. Denn das "Frachttrennungsnetz" für 499 Euro lässt sich nur auf der größeren Seite allein hissen. Wozu es zusätzlich auch noch des "Haltesatzes" zu 7,20 Euro bedarf. Und der fehlte nicht nur bei der ersten Fahrvorstellung, sondern auch in unserem Testwagen. Honda hat aber zugesichert, dass beides künftig nur zusammen abgegeben wird.

Fahrwerk und Komfort

Als echter Stolperstein für den Tourer könnte sich dagegen die fehlende Elch-Elektronik erweisen. Weil der Accord als Einziger ohne Stabilitätskontrolle durchs Leben rollt, gerät er beim VDA-Ausweichtest heftig ins Schlingern. Was sich dank präziser Schaltung, direkter Lenkung und kommod-knackigem Fahrwerk zunächst noch recht sportlich anfühlt, gerät bei schnellen Lenkmanövern leicht außer Kontrolle. Wer den ersten Seitenhieb des Hecks noch pariert, wird vom bösen Gegenschlag überrascht. Ungeübte Fahrer besitzen bei voller Zuladung kaum eine Chance, die Fuhre dann noch einzufangen.

Avensis und Laguna reagieren auf plötzliche Richtungswechsel deutlich gelassener. Der Toyota erlaubt kleine Driftwinkel und nutzt beim Elchhaken deshalb die volle Gassenbreite, beendet das simulierte Ausweichmanöver aber souverän. Zum sanftmütigen Eindruck tragen auch das feinfühlige Fahrwerk, die leichtgängige Lenkung und das geschmeidige Getriebe bei. Auch wenn die Sitze in Accord und Passat mehr Seitenhalt bieten, empfiehlt sich der Toyota für die Langstrecke.

Obwohl auch der Laguna Elchen und sonstigen Eventualitäten gelassen begegnet, kann sein Fahrwerk nicht wirklich überzeugen. Die Karosserie verneigt sich in schnellen Kurven deutlich und rollt konsequent auf der weichen Welle, Querfugen treffen uns trotzdem recht rüde. Fahren wie Gott in Frankreich hatten wir irgendwie komfortabler in Erinnerung. Ein Eindruck, den die plüschigen Polster, auf denen wir nur schwer eine optimale Sitzposition finden, lange Schaltwege und eine indirekte, beim doppelten Spurwechsel verhärtende Lenkung unterstützen.

Eine wahrlich reife Leistung liefert der sechs Jahre alte Passat Variant. Das rigoros regelnde ESP unterbindet jeden Ausbruchversuch des Hecks, erlaubt leer wie beladen die schnellsten Elchhaken. Außerdem arbeiten Lenkung und Schaltung gewohnt exakt, passen die Sitze, schluckt die Federung zuverlässig – nur bei groben Straßenschäden poltert die Vorderachse leicht.

Motorleistung und Verbrauch

Wenig zu meckern gibt es auch beim bekannten 1,8-Liter-Turbo aus dem Hause VW. Spritzig und spurtstark – so kennen wir den 150 PS starken Fünfventiler. Der sich allerdings ein leichtes Turboloch genehmigt, bis Tempo 100 hinterherfährt und mit 11,2 Litern den meisten Sprit verbrennt. Vorsicht, VW: Die Konkurrenz schläft nicht, setzt ungeniert zum Überholen an.

Besonders der neue Zweiliter-Turbo des Laguna begeistert auf ganzer Linie. Mit dem eng gestuften Sechsganggetriebe geht der 163 PS starke Zweiliter wie die Feuerwehr, taucht fast ohne Atempause aus dem Drehzahlkeller auf und dreht lustvoll Richtung Begrenzer. Oh, là, là – und dabei trinkt der flotte Franzose nicht mal übermäßig.

Solche Unsitten kennen auch die beiden Japaner nicht. Am günstigsten fährt der Zweiliter des Accord, dessen 155 PS munter zur Sache gehen und zu keiner Zeit lahm oder lustlos wirken. Ganz ehrlich, die 190 PS des 2.4 müssen nicht wirklich sein. Der 2,0-Liter im Avensis erweist sich mit 147 PS nicht gerade als Rakete, weckt aber nur bei ganz heißblütigen Heizern das Bedürfnis nach mehr Leistung. Wir wünschen uns viel mehr einen kürzeren fünften Gang, damit zum Überholen nicht immer runtergeschaltet werden muss. Und natürlich, dass der Benzin-Direkteinspritzer bei Vollgas nicht so viel trinken möge.

Betriebskosten und Preise

An der Kasse zeigen die Japaner dann wieder ihr zurückhaltendes Wesen. Den Avensis Combi 2.0 gibt es erst ab sonniger Sol-Ausstattung, aber schon für 24.400 Euro. In ähnlichen Preisregionen bewegt sich zwar auch die Konkurrenz, Accord Tourer 2.0 (ab 23.900 Euro), Laguna Grandtour 2.0 T (ab 24.410 Euro) und Passat Variant 5V Turbo (ab 24.900 Euro) bieten aber weniger Luxus. Die Ehre des Rampenlichts gebührt in diesem Fall also eindeutig dem Avensis.

Technische Daten im Überblick

Alle vier Kandidaten liefern Bremswege knapp über 38 Meter – und damit absolut keinen Grund zu Klagen. Eine Ursache dafür dürften die 16-/17-Zoll-Räder mit 205 bis 225 Millimeter breiten Reifen sein.

Fazit und Wertung

Fazit Kaum zu glauben, aber wahr: Trotz insgesamt schlechtester Ausstattung (Komfort- plus Sicherheitsausstattung) und höchstem Preis kann der schon sechs Jahre alte Passat Variant die Konkurrenz auf die Plätze verweisen. Sein Erfolgsrezept: hoher Reifegrad – und vor allem keine Schwächen zeigen. Die leisten sich dafür seine Gegner. Wäre der Avensis etwas größer und müsste er nicht alle 15.000 Kilometer in die Werkstatt, hätte er absolut das Zeug zum Sieger. Er ist komfortabel, wirkt abgesehen von den Vorserienmacken sehr solide und ist trotz günstigem Preis annähernd komplett ausgestattet. Auch der zweite Japaner könnte besser dastehen, hätte er zum Beispiel ein ESP an Bord, etwas mehr Komfort in den Federn und eine Mobilitätsgarantie. Der Laguna, der nur einen Punkt vor dem Accord landet, überzeugt schließlich vor allem mit seinem kraftvollen Motor, der die Gegner klar in den Schatten stellt. Schade, dass der Franzose bei Platzangebot, Fahrkomfort und Versicherung nicht mithalten kann.