Ohne Image läuft hier gar nichts

Vom Tellerwäscher zum Millionär. Seit Generationen träumen Glücksritter auf der ganzen Welt von dieser Karriere. Doch der Aufstieg in die feine Gesellschaft gelingt nur wenigen. Bleibt für die meisten also nur das Prinzip Hoffnung — oder der Versuch, sich nach oben zu arbeiten. So wie Lexus. Als Arbeiterkinder aus der Großfamilie Toyota sind die Lexus-Söhne mittlerweile akzeptierte Mitglieder der Upperclass — zumindest in den USA. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten entschieden sich letztes Jahr über 200.000 Amerikaner für einen Lexus.

Zahlen, von denen Mercedes, BMW oder Audi in der Neuen Welt nur träumen können. Kein Wunder also, dass die deutsche Auto-Elite dem Japaner durchaus Respekt zollt — zumindest in Amerika. Denn in Deutschland gelten strengere Gesichtskontrollen. Ohne Image läuft hier gar nichts. Wer ohne Stern, Niere oder vier Ringe vorfährt, darf den Dienstboteneingang benutzen. Und doch träumt Ferdinand Piëch weiter den Tellerwäscher-Traum. Was ihm bereits mit Audi geglückt ist, soll nun auch mit VW gelingen. Der ehrgeizige Porsche-Enkel will ins Oberhaus — und das ausgerechnet mit einem Passat. Mit diesem Vollblut-Volkswagen, der 1973 als Fließheck-Variante des Audi 80 geboren wurde und heute zu drei Vierteln als Kombi für Heim und Handwerk verkauft wird.

Ausgerechnet dieser Inbegriff braven deutschen Bürgertums wagt es, als Passat W8 beim Automobil-Adel BMW 540i, Lexus GS 430 und Mercedes E 430 um Einlass zu bitten. Leidet Herr Piëch jetzt etwa an Größenwahn? Nun ja. Immerhin fährt der Nobel-Passat standesgemäß vor. Er trägt acht Zylinder, zwar nicht im üblichen V-Verbund, sondern in W-Formation. Aber warum nicht? Wenn die Leistung stimmt. Daran allerdings sind ernsthafte Zweifel angebracht.

VW Passat W8: Nobel mit Macken

Von der Presse-Präsentation vor drei Monaten zumindest fuhr der W8 wieder direkt zurück ins Werk. Zu wenig Kraft und zu hoher Verbrauch erzwangen Modifikationen an der Motorsteuerung. Peinlich, peinlich. Nicht nur ich hoffte auf gute Besserung — und wurde erneut enttäuscht. Denn auch der überarbeitete W8 schmeckt eher nach Cola als nach Champagner. Dabei klingt der Start noch prickelnd: Der W-Motor mit vier Liter Hubraum summt vibrationsfrei, beantwortet Gasstöße mit einem aggressiven Bellen und weckt die Lust auf Leistung. 275 PS versprechen einen heißen Flirt.

Mit dem ersten Überholversuch kühlt die Leidenschaft dann aber schneller wieder ab, als sie begann: Der Passat setzt sich zwar flott in Bewegung, auf die Wucht und die Urgewalt eines potenten Achtzylinders warte ich aber vergeblich. Wo die etablierten V8 scheinbar schwerelos davoneilen, muss der hoch drehende Passat alles aus sich herausholen — und verliert dennoch. Bis Tempo 100 fährt der W8 seinen Konkurrenten rund 1,5 Sekunden hinterher, der Kickdown wirkt saft- und kraftlos. Dass der VW dank des serienmäßigen Allradantriebs als Einziger nie Traktionsprobleme zeigt, tröstet da wenig.

Wenigstens läuft der Nobel-Neuling selbst bei der Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h so souverän geradeaus, als sei schon der erste Käfer über 200 km/h gerannt. Am (Überhol-)Prestige mangelt es allerdings noch. Es dürfte einige Zeit dauern, bis C-Klasse- und Dreier-Piloten begreifen, dass sie für einen Passat die linke Spur räumen sollen. Zumal der W8 einen gaaanz langen Anlauf braucht. Der Volks-Achter wirkt beim Beschleunigen weit weniger souverän und druckvoll als erwartet. Die 250 km/h erreicht er jedenfalls nur mit Mühe — dieses Tempo ist dem Passat irgendwie noch fremd.

BMW 540i: Komfortabler Kurven-Star

Die Kleiderordnung der Highsociety scheint dem W8 schon deutlich geläufiger. Das schöne, mit Piëch-Perfektion gemachte Ambiente, das großzügige Platzangebot und die bequemen Sitze (vorn) können sich selbst bei Hofe sehen lassen. Hier sinkt der Vorstandsvorsitzende gerne in die Polster, wenngleich die Federung nie die Geschmeidigkeit des BMW 540i erreicht.

Der Bayer fährt angemessen straff abgestimmt, aber ohne jede Härte vors Portal, federt am komfortabelsten von allen Luxus-Limousinen in diesem Auto-Adel-Test. Geschmeidig abrollend, absorbiert der Fünfer Stöße so geschickt und gefühlvoll, als schwebe er durchs Königreich. Wer den reifen Bayern (gebaut seit 1995) bereits vorzeitig aufs Altenteil schieben will, sollte vorsichtig sein. Denn der 540i überzeugt zudem mit dem handlichsten Fahrverhalten und der gefühlvollsten Lenkung im Test. So wächst die Freude am Fahren mit jedem Kurven-Kilometer.

Auch auf der Autobahn, wo der BMW so messerscharf seine Bahn zieht wie Sherlock Holmes seine Schlüsse.Beim Motor wurde geklotzt, nicht gekleckert: 4,4 Liter Hubraum, 286 PS und 440 Newtonmeter versprechen dem Fahrer höchsten Genuss. Schon im Leerlauf lässt der Motor durchblicken, dass er nicht gedenkt, das Understatement zu pflegen. Gedämpft fauchend drängt sich der BMW nicht nur akustisch angenehm in den Vordergrund. Bissig hängt der BMW trotz Automatik am Gas, stürmt die Straßen mit der Vehemenz eines Überfallkommandos — 540i, der große kleine Bruder des M5.

Mercedes E 430: Schwergewicht mit Speed

Das besonders im Fond bescheidene Platzangebot sehe ich ihm da gerne nach. Als Chauffeurs-Auto dürfte der Fünfer ohnehin eher selten zum Einsatz kommen. Diese Rolle überlässt BMW ohne Neid dem ebenfalls in Würde gereiften Mercedes (gebaut seit 1996). Der bringt die Prominenz nach Partys und Pressebällen vollkommen entspannt nach Hause. Die Gäste lehnen sich beruhigt zurück und genießen die bequemen Sitze sowie die komfortable Weite des Innenraums.

Um Paparazzi auf der Autobahn abzuhängen, vertraut der E 430 auf einen 4,3 Liter großen, 279 PS und 400 Newtonmeter starken V8. Der explodiert beim Tritt aufs Gaspedal förmlich, lässt den Benz-Brenner mal eben die Massenträgheit vergessen und wirft ihn trotz der etwas behäbig schaltenden Automatik mit Sportwagen-Beschleunigung nach vorn. Dabei stürmt der Sternenkreuzer scheinbar so gelassen in Richtung 200-km/h-Marke, dass man den Messwerten kaum trauen mag: Der schwere Mercedes absolviert diesen Spurt in nur 24,8 Sekunden — schneller als alle anderen.

Den einzigen Fehltritt leistet sich der E 430 mit der unglücklichen Fahrwerkabstimmung der Avantgarde-Ausstattung. Rund 20 Millimeter tiefer, mit härteren Federn und üppigen 17-Zoll-Breitreifen, aber mit unveränderten Dämpfern rollt der sonst meisterliche Mercedes auf schlechtem Pflaster recht hölzern ab. Von wegen Avantgarde, ich empfinde diese Abstimmung eher als unharmonisch. Und dynamischer wird die E-Klasse so auch nicht. Der E 430 fährt am liebsten immer nur geradeaus, Kurven machen mit der zu indirekten Lenkung nicht annähernd so viel Spaß wie im BMW.

Lexus GS 430: Auf leisen Sohlen

Aktiver präsentiert sich der Lexus, der mit 4,81 Metern nur einen Zentimeter kürzer ausfällt. Dafür mangelt es dem Japan-Jumbo an innerer Größe, das Platzangebot verdient sich nur die Note "befriedigend". Näher an die Oberklasse rückt den GS 430 der gute Federungskomfort. Der Lexus schwebt durch den Saal wie die Tänzer beim Wiener Opernball, klappert allerdings hier und da mit den Hacken und stolpert polternd über Parkettfehler.

Das fällt besonders auf, weil der Motor im Lexus fast unhörbar bleibt. Beim Dreh am Zündschlüssel springt der Drehzahlmesser auf ungefähr 800 Touren, ich höre aber nichts — läuft der Motor vielleicht gar nicht? Also Hi-Fi-Radio aus — nichts. Gebläse der Klimaautomatik auf null — immer noch nichts. Oder doch? Das feine Surren muss der Motor sein. Ein Kraftpaket mit acht Zylindern und 283 PS. Beim Tritt auf das Gas macht die schwere Limousine einen mächtigen Satz, beschleunigt fast so sportlich wie BMW und Mercedes. Ohne spürbare (und hörbare) Anstrengung dreht der Motor bis 5000 Touren, holt einen Wimpernschlag lang Luft, um im nächsthöheren Gang mit kaum verminderter Vehemenz weiterzustürmen.

Die Lexus-Automatik streichelt die Gänge dabei fast ruckfrei hinein. Wie die Getriebe der übrigen Kandidaten auch, serviert sie ihre Gänge so unauffällig wie ein guter Butler den Tee. Ein heißer Darjeeling bleibt denn auch das Einzige, was ich auf den weichen Ledersesseln des Lexus vermisse — wenn ich nicht gerade in schnellen Kurven nach Seitenhalt suche. Oder versuche, den GS bei hohem Tempo auf Kurs zu halten: Er pirscht Längsrillen hinterher wie Möchtegern-Promis den Medien.

Fazit und Technische Daten

Die Damen und Herren der feinen Gesellschaft wenden sich naserümpfend ab — immer diese Emporkömmlinge, auch nicht viel besser als der Passat W8. Der wirft das letzte Argument in die Waagschale: Mit Automatik kostet er 83.074 Mark, also über 20.000 Mark weniger als die Konkurrenten. Der finale Fehltritt: Weiß der denn nicht, dass man in diesen Kreisen über Geld nicht redet?

Fazit 275 PS im Passat - da durften wir eine machtvolle Demonstration der Stärke erwarten. Doch der W8-Motor enttäuscht, kann mit den Achtzylindern der Etablierten in keiner Weise mithalten. Dass der VW acht Zylinder zum Dumpingpreis bietet, wird ihm in der Oberklasee wohl nicht viel weiterhelfen. Ansonsten erweist sich der Passat als erstaunlich konkurrenzfähig: guter Federungskomfort und ein auch bei hohem Tempo narrensicheres Fahrwerk.

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