D-Cat kann Erwartungen nicht erfüllen

Tempo 130 auf der Autobahn, der Diesel schnurrt. Da schießt ein roter Alfa 156 heran, setzt sich auf gleiche Höhe. Der Fahrer gestikuliert heftig und zeigt auf das Heck des Avensis. Dort brennt es. So scheint es jedenfalls. Dichter, heller Rauch quillt aus dem Auspuff, nebelt die gesamte Bahn ein. Und jetzt erschrickt auch Redakteur Jörg Maltzan hinter dem Toyota-Steuer.

Feuer im Avensis? Nein, soweit ist es nicht gekommen, aber es sah fast so aus. Das Ganze geschah bei Kilometer 73.800, und zum ersten Mal hatte die komplizierte Abgasreinigungs-Technik des Toyota Probleme gemacht. Das Pikante daran: Den D-Cat-Diesel hatten wir ganz bewußt ausgewählt. Zu Testbeginn galt er als sauberster Diesel der Welt, weil er auch die schädlichen Stickoxide wegfiltern konnte.

Na klar, wir waren ganz scharf darauf, die Haltbarkeit des aufwendigen Katalysators über einen langen Zeitraum hinweg zu testen. Doch mit so einem Blackout beim Zuverlässigkeits-Weltmeister hatten wir nie und nimmer gerechnet. Aber dort glänzt der Lack offenbar auch nicht mehr so wie früher. Allein im vergangenen Jahr mußte Toyota weltweit fast eine Million Autos zurückrufen, darunter 35.605 in Deutschland.

"Ins Blech gepreßte Anonymität"

Bei AUTO BILD wurde es am 17. Mai 2004 ernst, da startete der viertürige Avensis 2.0 D-4D D-Cat Sol zum Dauerlauf. Inklusive Metalliclack, Schiebedach und Navigationssystem für 27.780 Euro. Nach übereinstimmender Meinung kein Hingucker, sondern eher unauffällig. "Ins Blech gepreßte Anonymität", entdeckte Redakteur Roland Löwisch, "Kaum Wiedererkennung", monierte Kollege Dino Schröder, "das könnte auch ein Mazda oder Nissan sein."

Über das Design läßt sich bekanntlich streiten – man mag es auch zeitlos finden wie Redakteur Alex Cohrs. Weniger Diskussionen gab es über andere Punkte, die von Anfang an kritisiert wurden: die zu weichen Sitze, das auf Querfugen polterige Fahrwerk, die indirekte Lenkung und die dieseltypische, sehr ausgeprägte Anfahrschwäche. Wobei die Meinungen zum Motor erneut kontrovers ausfielen. 116 PS sind für eine Mittelklasse-Limousine nicht überwältigend, zu Testbeginn wurde der Zweiliter-Diesel auch durchweg als müde und zäh empfunden.

Etwa ab Kilometer 20.000 änderte sich das Bild. Die Leistung galt jetzt als ausreichend, ein Temperamentsbündel wurde der Avensis deshalb noch lange nicht, die angegebene Spitze von 195 km/h erreichte er erst nach langem Anlauf. Der Verbrauch lag mit 9,07 Liter im Durchschnitt über die 100.000 Kilometer recht hoch und auch knapp zwei Liter über unserer Normrunde. Eilige Dienstreisen auf der Autobahn trieben den Durst hoch. Offensichtlich hatte der Avensis Probleme mit unserem Tempo. Der Katalysator wurde die gespeicherten Schwefelanteile nicht los, konnte sich nicht mehr freipusten.

Hohe Funktionalität macht Freu(n)de

Mit anderen Qualitäten gewann der Avensis aber neue Freunde. Viele Kollegen lobten den niedrigen Geräuschpegel – weder Fahrtwind noch Motor machen großen Lärm –, die Reichweite, die hohe Funktionalität, die gut regelnde Klimaautomatik und den riesigen Kofferraum.

Der Avensis war aber durchaus nicht immer der problemlose Begleiter für den Alltag, den wir erwartet hatten. Er strapazierte mit allerlei Nachlässigkeiten die Nerven der Fahrer. Zum Beispiel waren Polster und Teppiche schwer zu saugen, der übliche Schmutz krallte sich regelrecht fest. "Es sieht hier immer aus, als ob gerade jemand ein Rudel Katzen transportiert hat", schimpfte Onliner Ralf Bielefeldt im Bordbuch. Weitere Beschwerden: Im Dunkeln stellte der Regensensor seine Dienste ein, der Bordcomputer kann nur Englisch, und ziemlich böse Kommentare gab es zu den laut quäkenden Gurtwarnern und zur miesen Empfangsqualität des Radios.

Für das (aufpreispflichtige) Navigationssystem empfahl Andreas Borchmann gar: "Reißt es raus, es hat 1000 Fehler und kostet den letzten Nerv." Tatsächlich ist die Menüführung teils unlogisch, der Umgang mit der Fernbedienung mühsam und die Grafik unübersichtlich.

Neue Kupplung nach 85.800 km

Überrascht waren wir dann auch, wie schnell der Avensis alterte. Im Bordbuch stehen etwa ab Kilometer 70.000 zunehmend Eintragungen über die ruppiger werdende Kupplung, lästiges Knarzen aus den Tiefen des Cockpits und sichtlich mitgenommene und angeschmuddelte Kunststoffe. Besonderen Unmut forderten die ausgeleierten und durchgesessenen Sitze heraus. Die Karosserie wirkte inzwischen weniger steif als zu Beginn, das Abrollverhalten war noch mal schlechter geworden. "Der geht auf dem Zahnfleisch", diagnostizierte Redakteur Matthias Moetsch bei 91.000 Kilometern.

Wir wollen jedoch nicht ungerecht sein: Der Avensis hat uns über 100.000 Kilometer nicht einmal grundsätzlich im Stich gelassen und liegt deshalb auch auf einem guten achten Platz unserer Zuverlässigkeits-Rangliste (nächste Seite). Und es gab viele Kollegen, die sich mit diesem unaufgeregten und unauffälligen Auto angefreundet haben. Aber ehrlich, zufrieden mit diesem Ergebnis sollte vor allem Toyota nicht sein. Dafür zeigte der Avensis zu viele kleine und große Schwächen. Eine neue Kupplung nach 85.800 Kilometern ist peinlich, zumal wir noch einen Fehler im Getriebe gefunden haben.

Auch die Probleme mit dem D-Cat deuten auf eine ungewohnt laxe Einstellung zur Qualität hin. Offensichtlich hat Toyota ein nicht ausgereiftes System auf die Straße gebracht und von den Käufern erproben lassen. Wie sagte doch – hinter vorgehaltener Hand und mit verkniffener Miene – ein Toyota-Mann: "Eigentlich hätte es ja andersherum passieren müssen. Normalerweise gehen ja Alfa kaputt, ein Toyota nie." Stimmt – normalerweise.

Wertung und Ranglisten-Position

Unser Avensis präsentiert sich im DEKRA Technology Center Klettwitz schlechter als erwartet. Schon auf den ersten Blick bleibt das Auge des Prüfers an oberflächlichen Roststellen, korrodierten Batterieklemmen sowie angegammelten Metalleitungen und Haltern im Motorraum hängen. Zum Glück, wie gesagt, alles noch oberflächlich, aber bei einem Toyota lange nicht gesehen.

Erwartungsgemäß dagegen das Resultat der Motoruntersuchung: kein auffälliger Verschleiß an allen Zylindern, Kolben und Ventilen. Recht unschön allerdings ein Detail vom Schaltgetriebe. Die Längsverzahnung an Getriebewelle und Gangrad des fünften Gangs zeigt untypische Einlaufspuren.

Preise und Kosten

Bei der Kostenbilanz schlägt sich der Japaner nicht schlecht. Zumindest schneidet er besser ab als Konkurrent Opel Vectra: Der kostete 2004 pro Kilometer 18 Cent (Toyota: 17). Bei den Gesamtkosten liegt er sogar drei Cent über dem Toyota (35 statt 32 Cent).

Fazit und Technische Daten



Fazit von Testredakteur Dirk Branke: Ein Toyota-Dauertest ist normalerweise die langweiligste Sache der Welt: Es passiert ja nichts. Normalerweise. Diesmal war es etwas anders. Der Diesel-Avensis zeigte von Anfang an allerlei kleine Schwächen, später auch größere. Kann passieren. Doch erwartet habe ich das gerade von Toyota nicht.

Klipp und klar muß aber auch gesagt sein: Liegengeblieben ist der Avensis nicht ein einziges Mal. Mancher Europäer schafft ja selbst das nicht – das nur zur Einordnung. Und wie hoch die Erwartungen vor Testbeginn waren, ist ja auch schon ein Kompliment für Toyota. Aber: Ein guter Ruf ist mühsam erarbeitet und ganz schnell wieder verspielt. Die knapp eine Million Rückrufe des vergangenen Jahres zeigen, daß auch Toyota nur mit Wasser kocht.

So funktioniert der D-Cat (oder auch nicht)

D-Cat steht für Diesel Clean Advanced Technology, zu deutsch "Saubere Spitzentechnologie". Das Ganze ist ein hochkompliziertes, rechnergesteuertes System. Herzstück ist der DPNR-Katalysator (für Diesel Partikel NOx-Reduktion) – eine Kombination von Partikelfilter und Speicherkat. Der Kat speichert Ruß, Schwefeldioxid und Stickoxide (NOx). Melden die Sensoren einen vollen Filter, wird durch eine zusätzliche, fünfte Düse Kraftstoff in den Abgastrakt eingespritzt, die Ablagerungen werden verbrannt, sichtbar durch ein kleines Wölkchen.

Auf dem Prüfstand bestätigten sich die Fähigkeiten des Kats zum Testende nicht in allen Punkten: Der Kohlenmonoxid-Anteil (CO) lag über den Euro 4-Grenzwerten. Eine Erklärung dafür hat Toyota noch nicht gefunden.

In unserem Test fuhr der Avensis viele schnelle Autobahnetappen. Dabei blieb dem System offensichtlich nicht ausreichend Zeit für den Regenerationsbetrieb, denn der findet nur unter 160 km/h statt und braucht für eine komplette Reinigung etwa zwanzig Minuten. Die Folge: Der Kat war ständig am Rande seiner Speicherkapazität, versuchte bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sich im Teillastbereich zu regenerieren. Resultat: heftige, wiederholte Rauchentwicklung. Die weiße Färbung resultierte aus dem verbrannten Schwefel. Dieses Problem betrifft bei uns rund 600 Avensis-2.0 D-Cat-Fahrer, denen Toyota großzügige Hilfe verspricht. Für den noch angebotenen Zweiliter-Diesel mit 116 PS gibt es den D-Cat nicht mehr, sondern nur noch für den neuen 2,2-Liter mit 177 PS. Und für den wurde das gesamte System überarbeitet.